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schwer, Vergebung zu erwägen. Wichtig ist
es, sich mit diesen Gefühlen auseinander-
zusetzen – etwa unter folgenden Frage -
stellungen: Wie ist man bisher mit der Wut
umgegangen? Hat sie die Gesundheit be-
einträchtigt? Hat die psychische Verletzung
das Leben auf Dauer verändert? Sich ein-
zugestehen, dass bisherige Versuche ihrer
Bewältigung gescheitert sind, kann den
Schritt begünstigen, sich für die Vergebung
zu entschließen. Abgesehen davon verhilft
uns die Einsicht, dass Menschen nun ein-
mal Fehler machen, zu einer größeren Ver-
gebungsbereitschaft. In einigen Fällen ist
es denkbar, die guten Seiten des anderen
zu sehen, was unsere Vergebungsbereit-
schaft steigern kann. Nicht zuletzt kann
es helfen, uns klarzumachen, dass wir in
erster Linie um unseretwillen ver geben.
Denn dieser Prozess mündet nachweislich
in besserer psychischer Gesundheit und
bedeutet somit Heilung. Bevor sich
seelisch verletzte Menschen für oder
gegen das Vergeben entscheiden, gilt es,
sich die Vor- und Nachteile dieses Schritts
bewusst zu überlegen. Sie sollten sich
dabei vor Augen halten, dass sich Vergan-
genes nicht ungeschehen machen lässt –
dass etwa das ständige Hadern mit eige-
nem Versagen nicht zu Gutem führen kann.
Und hat sich der Lebenspartner oder
ein Freund, mit dem man auch weiterhin
verbunden bleiben möchte, verletzend
verhalten, bleibt einem nicht viel anderes
übrig, als ihm zu vergeben.
Ist der Entschluss dazu gefasst, empfiehlt
es sich, das verletzende Ereignis aus der
Perspektive des Verursachers zu betrachten.
Dafür ist die Entwicklung von Verständnis
und Mitgefühl notwendig: Wie ist es zu
erklären, dass sich mein Mann einen
„Seitensprung“ erlaubt hat? Warum hat
mich meine Lebenspartnerin dermaßen
beleidigt? War ich wirklich nicht dazu fähig,
das Examen zu bestehen, oder gab es
dafür andere Gründe? Dieserart Fragen
erlauben es, „Täter“ und „Tat“ besser zu
verstehen.
Teils kann es auch sinnvoll sein, zu analy-
sieren, warum einen etwas verletzt hat –
das heißt, wenn die verletzende Handlung
von den meisten Menschen eher als
Geringfügigkeit eingestuft wird (Vergessen
des Geburtstags etwa). Dann gilt es zu
schauen, ob Ähnliches in der Kindheit vor-
gekommen ist und man es seither nicht
verarbeitet hat.
Um die Vergebung abzuschließen, ver -
pflichtet man sich dazu. Dafür kann es
nützlich sein, sich diese Verpflichtung zu
notieren. Sollten doch mal wieder Zorn
oder Hass hochkochen, holt man den
Zettel hervor und erinnert sich so an seine
Vergebung.
seelisch zu gesunden und sich dem Leben
im Hier und Jetzt unbeschwert zu widmen.
Wenn wir es nicht schaffen zu vergeben,
holt uns das schmerzhafte Erlebte immer
wieder ein, mit all seinen Begleiterschei-
nungen.
Wie Vergeben gelingt
Vergebung können wir nur leisten, wenn
wir dazu bereit sind. Aber was begünstigt
den Entschluss zu vergeben? Zunächst
einmal ist dafür in der Regel ein gewisser
zeitlicher Abstand zu dem verletzenden
Ereignis notwendig. Denn wenn uns nega-
tive Gefühle akut im Griff haben, ist es
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