Der Adoniskomplex

Männer und Essstörungen

Essstörungen galten bisher als typisch „weibliche“ Erkrankung. Doch auch immer mehr Männer haben eine Essstörung. Heutzutage ist jeder zehnte Essgestörte männlich. Nicht nur Frauen, auch Männer eifern zunehmend dem gängigen Schönheitsideal nach.

In der Werbung und der Modeindustrie wird der schlanke, durchtrainierte Erfolgsmensch propagiert, an dem sich die Männer orientieren.

Männer erkranken an allen Essstörungen, an denen auch Frauen leiden. Eine weniger bekannte Essstörung, die jedoch typisch „männlich“ ist, ist der Adoniskomplex (Muskelsucht).

Der Adoniskomplex ist eine Essstörung, bei der Männer durch exzessiven Sport, Diäten, die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln oder auch Doping versuchen, ihren Körper in eine möglichst vollkommene Form zu bringen.

Sie orientieren sich an perfekten Körpervorbildern mit breiten Schultern, schmalen Hüften und Waschbrettbauch.

Ihr Wunsch, ihren Körper zu „stählen“, ist zwanghaft und sie greifen sogar zu illegalen Produkten wie Anabolika. Die Sorge um das Aussehen ist bei Männern, die am Adoniskomplex leiden, krankhaft übersteigert.

Obwohl sie meist sehr trainierte Körper haben, schätzen sich die Betroffenen selbst als unansehnlich, klein und schmächtig ein. Ähnlich wie Magersüchtige haben sie eine gestörte Körperwahrnehmung.

Durch die ständige einseitige Ernährung und Diät leiden manche Männer auch an Fressattacken. Da die Betroffenen große Angst vor der Gewichtszunahme haben, reagieren sie darauf mit noch extremerem Sport und noch strengeren Diäten. Die Erkrankung kann schnell zur Sucht werden, über die die Betroffenen die Kontrolle verlieren.

In ihrer Hoffnung, dass mit dem perfekten Körper der Erfolg in der Schule, dem Beruf oder bei den Frauen kommt, werden sie oft von außen bestärkt. Durch den Muskelaufbau bekommen die Männer Bestätigung von ihrem Umfeld, auch vom anderen Geschlecht. Diese Bestätigung animiert sie, ihr Training zu verstärken.

Äußerlich sehen Muskelsüchtige völlig anders aus als Magersüchtige, aber auch sie leiden unter einem Zwang und haben die Kontrolle über ihr Verhalten verloren. Auch Mischformen der Muskelsucht, Magersucht und Bulimie können auftreten.

Wer erkrankt und woran erkennt man das?
 

Essstörungen treten bei Männern später auf als bei Frauen. Durchschnittlich ab einem Alter von 21 Jahren. Das typische Erkrankungsalter für den Adoniskomplex liegt zwischen 16 Jahren und 23 Jahren.

Männer, die unter dem Adoniskomplex leiden sind bemüht, ihre Erkrankung streng geheim zu halten. Da Essstörungen immer noch als typische Frauenkrankheit gelten, besteht bei ihnen eine noch größere Scham, die Erkrankung einzugestehen.

Äußerlich ist die Erkrankung nicht unbedingt sichtbar. Die Männer sind zwar sehr durchtrainiert, dies trifft aber auch auf viele andere Männer zu. Jedoch vermeiden die Betroffenen Situationen, in denen andere Menschen ihren Körper sehen können, zum Beispiel im Schwimmbad oder der Umkleidekabine. Sie verstecken ihren Körper unter Kleidung, da sie selbst ihn für dünn und schwächlich halten. In manchen Fällen kann es auch zu einem großen Gewichtsverlust in sehr kurzer Zeit kommen.

Die Erkrankung hat einen erheblichen Einfluss auf das Sozialverhalten. Der komplette Tagesablauf wird dem Sportplan untergeordnet. Andere Freizeitaktivitäten und soziale Kontakte bleiben bei dem strengen Trainingsplan oft auf der Strecke und die Erkrankten isolieren sich. Männer, die am Adoniskomplex erkrankt sind, leiden oft an weiteren Süchten, zum Beispiel der Alkohol-, Drogen- oder Spielsucht.

Gesundheitliche Folgen
 

Bei der Muskelsucht können eine Reihe von gesundheitlichen Folgeschäden auftreten. Der exzessive Sport in Verbindung mit einer einseitigen Ernährung oder Diät ist eine große Belastung für den Körper. Es kann zu Mangelerscheinungen kommen. Durch die Einnahme von Dopingmitteln wie Anabolika treten Hormonstörungen auf. Die Brustwarzen verändern sich und es kann Akne entstehen.

Hilfe
 

Der Adoniskomplex ist eine Essstörung, die erst sehr spät diagnostiziert wird. Die Betroffenen merken selbst lange Zeit nicht, dass mit ihrem Verhalten etwas nicht stimmt. Von Ärzten wird die Diagnose Essstörung bei Männern selten gestellt, da die Erkrankung eher bei Frauen vermutet wird. Wenn die Erkrankung erst einmal diagnostiziert ist, ist der Weg in eine Therapie sehr schwierig. Gerade für Männer liegt die Hemmschwelle, sich eine seelische Erkrankung einzugestehen und Hilfe anzunehmen, sehr viel höher als für Frauen. Für viele kommt es einem Eingeständnis von Schwäche gleich. Es ist jedoch sehr wichtig, dass die Betroffenen Hilfe annehmen. Im Stadium der Diagnose ist die Erkrankung meist schon sehr ausgeprägt und schwer therapierbar. In großen Städten gibt es spezielle Selbsthilfegruppen für Männer mit Essstörungen.